Zum Nachdenken


Darf der Staat öffentliche Gottesdienste verbieten?

Wie stehen Religion und Staat zueinander? Darf die Kirche politische Entscheidungen kritisieren? Oder umgekehrt: Darf sich der Staat in religiöse Belange einmischen und z.B. das kirchliche Leben zugunsten des Gesundheitsschutzes einschränken?

Geschichtlicher Überblick

 

Seit es in der Geschichte organisierte und geführte Gemeinschaften gibt, stellt sich die Frage nach dem richtigen Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Obrigkeit oder nach heutiger Sichtweise ausgedrückt, nach dem richtigen Verhältnis von Staat und Kirche.

Gerade bei den sehr religiös geprägten „alten Völkern“ war die rechte Antwort auf diese Frage von entscheidender Bedeutung. Nicht selten wurde diese Frage dadurch gelöst, dass die eine Obrigkeit auch die Autorität der anderen für sich vereinnahmte, also einerseits die irdische Obrigkeit sich „vergöttlichte“ oder hohepriesterliche Stellung für sich beanspruchte oder andererseits die Priesterschaft sich irdische Macht aneignete (Stichwort „Theokratie“).

 

Im katholischen Bereich stellte sich diese Frage erst dann, als das Christentum um das Jahr 391 unter Kaiser Theodosius I. zur Staatsreligion wurde. Schon bald gestaltete sich das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt problematisch und spitzte sich vor allem dadurch zu, dass die Kaiser zunehmend im fernen Konstantinopel (später Byzanz) residierten und dort geneigt waren, eine Art Cäsaropapismus zu vertreten. Papst Gelasius I. (+496) bemerkte diese Neigung der byzantinischen Kaiser und formulierte erstmals die Beziehung zwischen Kirche und Staat. In einem Brief an Kaiser Anastasios lehrte er, Gott habe dem Kaiser die Leitung der Welt (regalis potestas) und den Bischöfen die geistliche Autorität (auctoritas sacrata pontificum) übergeben. Der päpstlichen auctoritas kam ihm besondere Bedeutung zu, da Gott ihn „als den Obersten aller Bischöfe“ einsetzte. Auf der Basis dieser Formulierung entwickelte sich später die sog. „Zwei-Schwerter-Theorie“. Dies soll als kleiner historischer Überblick genügen.

 

Die unfehlbare Lehre der Kirche

 

Die endgültige Zusammenfassung der kirchlichen Lehre zum Verhältnis zwischen Staat und Kirche haben wir Papst Leo XIII. (+1903) zu verdanken. In seiner Enzyklika Immortale Dei (1885) schrieb er folgendes: „So hat denn Gott die Sorge für das Menschengeschlecht zwei Gewalten zugeteilt: der geistlichen und der weltlichen. Die eine hat er über die göttlichen Dinge gesetzt, die andere über die menschlichen. Jede ist in ihrer Art die höchste; jede hat ihre gewissen Grenzen, welche ihre Natur und ihr nächster und unmittelbar Gegenstand gezogen haben, so dass eine jede wie von einem Kreise umschlossen ist, in dem sie sich selbstständig bewegt.“ (Nr. 13) Desweiteren erklärte derselbe Papst in der Enzyklika Sapientiae christianae (1890): „Gewiss hat die Kirche wie der Staat ihren eigenen Machtbereich; darum sind beide in der Ordnung ihrer Angelegenheiten voneinander unabhängig, freilich innerhalb der durch den beiderseitigen Zweck bestimmten Grenzen. Hieraus folgt aber keineswegs, dass beide von einander getrennt, noch weniger, dass sie im Widerspruch mit einander sein sollen. (Nr. 30)

Das bedeutet also, dass ein Katholik sowohl unter der Gewalt der Kirche als auch unter der des Staates steht. Er gehört also zwei Gesellschaften an, die beide selbstständig und unabhängig sind und beide in ihrem Bereich höchste Autorität beanspruchen können. Als Bürger ist der Katholik der zivilen Obrigkeit unterstellt, als Getaufter ebenso dem Papst.

 

Leider sind aufgrund der menschlichen Schwäche Grenzüberschreitungen in diesem Verhältnis möglich, wie die Geschichte es auch immer wieder gezeigt hat. Solange aber jede Gewalt in ihrem Zuständigkeitsbereich bleibt, werden diese auch nicht im Widerspruch zueinander handeln. Wir wissen, dass Politiker der Kirche Einmischung in die politische Sphäre vorwerfen, wo es um Fragen wie Ehescheidung, Empfängnisverhütung, Abtreibung, Gentechnologie, Gendermainstreaming und ähnliches geht. Tatsächlich aber entscheiden die beiden Gewalten unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten. Die Einmischung in den anderen Bereich ist hier also nicht prinzipiell gegeben, sondern nur eine scheinbare. Es wird zwar über die gleiche Thematik entschieden, aber eben aus einem anderen Gesichtspunkt heraus.

 

Die Schein-Einmischung der Kirche in die Politik

 

Inwiefern die Kirche auch Kompetenzen im politischen Bereich hat, bringt Papst Pius XII. an Pfingsten 1941 in seiner berühmten Radiobotschaft zur Sprache: „Zum unanfechtbaren Geltungsbereich der Kirche aber gehört es, in denjenigen Belangen des sozialen Lebens, die an das Gebiet der Sittlichkeit heranreichen oder es schon berühren, darüber zu befinden, ob die Grundlagen der jeweiligen gesellschaft­lichen Ordnung mit der ewig gültigen Ordnung übereinstimmen, die Gott, der Schöpfer und Erlöser, durch Naturrecht und Offenbarung kundgetan hat.“

Die Kirche hat es mit dem Menschen als moralisches Wesen zu tun, der für das himmlische Leben erschaffen wurde und vor Gott für sein irdisches Leben Rechenschaft ablegen wird. Insofern hat die Kirche auch Einfluss auf das soziale Leben der Menschen. Wenn nun Politiker Gesetze erlassen, die dem Naturrecht widersprechen, hat die Kirche nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, solche Gesetze zu brandmarken. Papst Johannes Paul II. schreibt im Jahr 1993 dazu in seiner Enzyklika Veritatis splendor: „Nicht nur im Bereich des Glaubens, sondern auch und untrennbar davon im Bereich der Moral greift das Lehramt der Kirche ein, dessen Aufgabe es ist, "durch das Gewissen der Gläubigen bindende Urteile jene Handlungen zu bezeichnen, die in sich selber mit den Forderungen des Glaubens übereinstimmen und seine Anwendung im Leben fördern, aber auch jene Handlungen, die aufgrund ihres inneren Schlechtseins mit diesen Forderungen unvereinbar sind.“ (Nr. 110)

Bereits im Jahr 1963 fasste Papst Johannes XXIII. in seiner Enzyklika Pacem in terris die Lehre folgendermaßen zusammen: „Da die staatliche Gewalt von der Ordnung der geistigen Wirklichkeit gefordert wird und von Gott ausgeht, können Gesetze oder Anordnungen die Staatsbürger innerlich nicht verpflichten, wenn die Staatslenker gegen diese Ordnung und deshalb gegen Gottes Willen Gesetze erlassen oder etwas vorschreiben; denn man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg 5, 29); in diesem Fall hört die Autorität ganz auf.“ (Nr. 51). Solche lehramtlichen Entscheidungen betreffen den Menschen, insofern er eben Mensch ist, nicht insofern er Bürger eines irdischen Gemeinwesens ist.

 

Die Schein-Einmischung des Staates in die Religion

 

Wie ist es aber umgekehrt? Könnte der Staat Gesetze erlassen, die den Gläubigen in seiner religiösen Praxis betreffen und denen er Folge zu leisten hat, und dadurch so eine Art Scheineinmischung des Staates in das Religiöse vorliegen würde?

Das Ziel des Staates ist das Gemeinwohl, diesbezüglich hat er seine Kompetenz und Legitimität. Das Gemeinwohl ist ein irdisches Ziel, das dem „natürlichen“ Bereich des Menschen entspricht. Gewiss ist das irdische Ziel der übernatürlichen Bestimmung des Menschen prinzipiell untergeordnet, wie es bereits Papst Gelasius I. klar ausdrückte. Dennoch hat der Staat Souveränität in seinem Bereich und seinem Ziel folgend, wie es Papst Leo XIII. anerkannte. Kein Katholik wird zur Zeiten eines Krieges seine Militärpflicht verweigern, weil er sich an den von Jesus Christus gemahnten Frieden halten möchte, oder weil er im Kriegsdienst seine sonntägliche Messpflicht nicht erfüllen kann. Wenn der Staat Gesetze oder Verordnungen erlässt, die alle Bürger betreffen, um das Gemeinwohl zu schützen oder zu fördern, dann haben alle Bürger zu gehorchen. Der hl. Apostel Paulus schreibt im Römerbrief dazu: „Jedermann ordne sich der obrigkeitlichen Gewalt unter; denn es gibt keine Gewalt, die nicht von Gott ist. Die bestehenden sind von Gott eingesetzt. Wer sich daher der Gewalt widersetzt, widersetzt sich der Anordnung Gottes; die sich aber widersetzen, ziehen sich selbst das Gericht zu.“ (13, 1f) Paulus schreibt hier natürlich von der damals gegebenen Obrigkeit, die heidnisch war und Christen zu verfolgen begann, wie Paulus auch am eigenen Leib erfahren hat. Und dieser Obrigkeit also soll der Christ grundsätzlich gehorchen, und zwar nicht nur nach Gutdünken, sondern im Gewissen.

Mögliche Fehlanwendungen

 

Obwohl diese Lehre klar und einfach ist, fällt ihre Anwendung zuweilen schwer. Beschränken wir uns hier auf die möglichen Grenzüberschreitungen des Staates in religiöse Angelegenheiten. (Ob und wie man auf Gesetze oder Verordnungen, die das christliche Leben stören, reagieren soll, ist im übrigen eine Frage der Klugheit und nicht von persönlichen Vorstellungen unter dem Vorwand des Glaubens.)

 

Es gilt also die Frage zu beantworten: Wann soll oder darf man dem Staat gegenüber ungehorsam sein?

Hier gilt zunächst die feste Regel, die bereits von den Kirchenlehrern vorgetragen und von allen Heiligen praktiziert worden ist: Nur gegenüber einem Befehl oder einer Anordnung, die eine sichere Sünde verlangt, ist Ungehorsam erlaubt, ja sogar verpflichtend.

Was aber ist im Zweifel zu tun, wenn eine Anordnung die Rechte der Christen irgendwie zu berühren scheint, aber man sich nicht sicher ist. Es meldet sich lediglich eine Art schlechtes Gefühl. Die Klugheitsregel lautet hier: Im Zweifel hat man sich zugunsten des Vorgesetzten und seiner Anordnung zu entscheiden. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der Obere verfügt normalerweise über mehr Informationen als der Untergebene und hat auch einen höher entwickelten Sinn für das Gemeinwohl als dieser. Wenn Petrus in einem seiner Briefe lehrt: „Ihr Sklaven, unterwerft euch in aller Ehrfurcht euren Herren, nicht nur den gütigen und freundlichen, sondern auch den launenhaften.“ (1Petr 2,18), sollte man diese Worte nicht auch auf einen Staat anwenden können, der weder unsere Einstellung noch unsere Weltanschauung teilt? Bedeuten aber die Worte des hl. Petrus andererseits, dass der Untergebene, der Bürger, nichts mehr zu sagen hat und somit auch nichts sagen darf? Die klassische Lehre der Moraltheologie sagt, dass der Untergebene sogar die Pflicht habe, seinen Vorgesetzen zu informieren, wenn er meint, dem Vorgesetzten fehle es an Wissen, um ein besseres und fundierteres Urteil fällen zu können. Das Ziel dieser Handlung ist jedoch nicht, den Vorgesetzten leidglich dazu zu bringen, die eigene Meinung zu übernehmen. Vielmehr muss es darum gehen, dass er aufgrund dieser Informationen ein besseres Urteil fällen wird. Wenn der Untergebene seine Kenntnisse weitergegeben hat, soll er dann aber auch dem Urteil Gehorsam leisten.

Natürlich ist es heute vielfach nicht möglich, den entsprechenden Vorgesetzen persönlich zu erreichen. Wer hat schon die Gelegenheit mit maßgebenden Politikern über die Probleme der Welt zu sprechen? Man geteilter Meinung darüber sein, ob aufgrund dieser Schwierigkeit Straßenproteste und Demonstrationen kluge Auswege sind.

Es ist also kein blinder Gehorsam gefordert, aber ein Mindestvertrauen in die Regierenden scheint klüger zu sein, als ein völliges Misstrauen. Die Vermutung, die Regierenden seien beinahe immer willfährige Werkzeuge in den Händen des Teufels, ist eine nicht seltene Fehlhaltung in gewissen katholischen Milieus. Nein, die zivile Obrigkeit erlässt unpopuläre Maßnahmen nicht zu dem Zweck, den Bürger zu quälen oder zu erniedrigen, sondern weil sie meint, dass ihre Regelungen die richtigen sind. Irrt sie dabei? Das ist möglich. Man darf aber nicht vergessen, dass schlecht gelöste Krisensituationen die verantwortlichen Politiker ihren Posten in der Regierung kosten kann, da die Bürger sie nicht nur wählen, sondern auch abwählen können. Daher verbietet es sich für die Politiker, einfach nur „tyrannisch“ zu handeln.

Darf der Staat nun Gottesdienste in Kirchen verbieten?

 

Nachdem die klare Unterscheidung der Kompetenz der beiden Gewalten gemacht und die Möglichkeiten der Scheineinmischungen in den Zuständigkeitsbereich der anderen geklärt wurde, können wir nun viel besser auf die Frage eingehen, ob der Staat die Kirchen zuschließen darf.

Der Gesichtspunkt des Staates in dieser Angelegenheit (Coronavirus) ist es, die Ausdehnung der Krankheit, die sich durch Kontakt ausbreitet, zu hindern. Wenn der Staat nun allein die Kirchen zuschließen, gleichzeitig aber z.B. die Stadien zu großen Sportereignissen geöffnet lassen würde, dann wäre es klar, dass das Verbot die Religion betrifft; nicht das Gemeinwohl würde dann erstrebt, sondern der Glaube unterdrückt. Unter derartigen Voraussetzungen wäre Widerstand an sich gerechtfertigt. Ist das nun aber im Zusammenhang mit den Maßnahmen gegen das Coronavirus der Fall? Die Antwort lautet eindeutig: Nein. Damit beeinträchtigende Schutzmaßnahmen, die auch die religiöse Praxis stören, die erlaubterweise vorgenommen wurden, müssen alle Bürger betreffen, da die Maßnahmen ja dem Gemeinwohl dienen sollen. Trifft das zu? Die Antwort: Ja. Veranstaltungen aller Arten, Sportspiele, Diskotheken usw. wurden verboten, nicht nur die religiösen. Und somit ist die Frage grundsätzlich geklärt: die Schutzmaßnahmen betreffen alle Bürger und sind fürs Gemeinwohl erlassen worden.

 

Kann aber die Regierung irren? Können ihre Informationen falsch sein? Sind die Maßnahmen vielleicht übertrieben? Selbstverständlich! Auch Politiker sind Menschen. Sie müssen sich aber um eine gute Politik mit vernünftigen und angemessenen Maßnahmen bemühen, da sonst ihr Posten gefährdet ist. Es wird ja ständig darüber spekuliert, ob die Krisenregelungen verschiedener Politiker, z. B. von Trump in den USA, von Macron, Johnson, Erdogan, Putin usw. günstig oder ungünstig im Hinblick auf ihre Wiederwahl sein wird. Daher können sich Politiker keine Willkürmaßnahmen leisten und handeln stattdessen eher „gewissenhaft“ angesichts des gesunden Menschenverstandes ihres Wahlvolkes. Hört man die Meinungen der Experten und Scheinexperten, so vertreten sie alles – und auch jeweils das Gegenteil davon. Wer also liegt richtig? Der Regierung muss unter solchen Umständen eine gewisse Fehlerspanne einräumen, wobei auch jeder Bürger sich die Frage stellen sollte, ob er sich sicher ist, eine fundiertere Meinung als die von so vielen Seiten informierte Regierung zu haben.

 

Am Ende sei eine weise Bemerkung des hl. Thomas von Aquin angeführt. In einem Zusammenhang, in dem er von illegitimen Regierenden und ungerechten Dekreten spricht, lehrt er, dass es auch ihnen gegenüber vernünftig sei zu gehorchen. Weshalb? „Um Ärgernis oder um eine Gefahr zu meiden“ (II.II. q.104 a.6 ad 3). So der Heilige.

 

Der Staat darf also für das Gemeinwohl Gottesdienste verbieten, wenn das Gegenteil zur Ausbreitung der Krankheit führt. Dies ist unter katholischer Lehre zweifellos und prinzipiell. Sind die verschiedenen Schutzmaßnahmen klug? Darüber darf man streiten.

P. Dr. Gabriel Baumann, FSSP

Was ist wichtiger: Die hl. Kommunion oder das innere Gebet?

Liebe Gläubigen,

Im XX. Jahrhundert lebte eine wahrscheinlich bald heiliggesprochene Frau in seltsamer Weise. Sie ist 1902 in Frankreich geboren und 1981 gestorben. Ab dem 26. Altersjahr konnte sie sich nicht mehr bewegen und das Licht nicht ertragen. Sie konnte etwa 50 Jahre lang weder essen noch trinken. Das einzige, was sie vertragen konnte, war die hl. Eucharistie, die sie einmal wöchentlich empfing. Anscheinend hatte sie eine gewisse Seelenschau und konnte besonders den Priestern und Kandidaten zum Priestertum helfen, sie bestärken, führen und ermutigen. Durch sie wurden die sogenannten „Foyers de charité“ gegründet - Exerzitienhäuser. Jung opferte sie ihr Leben Jesus, schlicht und einfach, selbstlos, es sei denn Jesus zu gehören. Sie erlebte das Leiden des Herrn, Woche für Woche, und empfing die Stigmata (Wundmale) des Herrn. Sie hiess Marthe Robin.

Lang bereitete sie sich auf den Empfang des Herrn vor und gleich lang ging ihre Danksagung. Dennoch auf die Frage, was nach ihr wichtiger wäre, die hl. Kommunion oder das innere Gebet, antwortete sie:

Beides sollte man tun! Aber wenn eines bevorzugt werden sollte, dann das innere Gebet („oraison“); sie ist auch die beste Vorbereitung auf die hl. Kommunion.… Der häufige Empfang der hl. Kommunion ist eine Empfehlung, das innere Gebet ein göttliches Gebot: „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5,17) Nun ist es schwierig, gut und ohne Unterlass zu beten, wenn sich das Herz nicht mit guten Meinungen, mit guten Vorsätzen füllt, die Früchte des inneren Gebets sind. Es kostet Einem mehr das innere Gebet zu verrichten als zu kommunizieren. Die Kommunion ist ein äusserer Akt, der Einem geistige Freude macht, Trost bringt. Das innere Gebet ist dagegen eine heimliche Unterhaltung zwischen Gott und der Seele. Die Kommunion setzt nicht immer die Tugend voraus. Man kann sich sogar gegen den Leib und das Blut Unseres Herrn versündigen. Das tägliche, innere Gebet bedeutet noch nicht, dass man tugendhaft ist, aber es ist das Zeichen, dass man daran ernsthaft arbeitet, um es zu werden.… Jemand hat gesagt: Man findet Christen, die jeden Tag kommunizieren und dennoch schwere Sünden begehen… Aber man findet nie eine Seele, die jeden Tag innerlich betet und in der (schweren) Sünde bleibt“ (4. April 1930)

In der heutigen Zeit, wo man nicht mehr so häufig, wenn überhaupt, kommunizieren kann, sollen diese Worte, die implizit die geistige Kommunion fördern, ein Trost sein: Die Intimität mit dem Herrn im inneren Gebet kann wohl wichtiger, gar „wirksamer“ sein als das Faktum des Kommunionempfangs, was unsere Hingabe zu Gott betrifft.

Ihr in Christo

P. Gabriel Baumann, FSSP

Strafe oder Reinigung -  Leiden oder Herrlichkeit?

Liebe Gläubigen,
In der katholischen Kirche gibt es drei spirituelle Mentalitäten: jene, die hauptsächlich die Busse, die Sünden und Gebrechlichkeit des Menschen betont, also etwa die düsteren Folgen des Sündenfalls sowie jene, welche hauptsächlich die Güte und Barmherzigkeit hervorhebt und praktisch seine Gerechtigkeit verleugnet, und die katholische, die beide Aspekte berücksichtigt.
Die erste Spiritualität ist stark vom abtrünnigen Martin Luther beeinflusst – ohne es zu wissen – nach welcher die menschliche Natur so denaturiert wurde, dass der Mensch nur sündigen kann. In die katholische eingeführt fördert diese Spiritualität, die im versteckten Fundament der spirituellen Irrlehre des Jansenismus liegt, die Ansicht, dass der Mensch nie würdig ist, Jesus zu empfangen, ausser nach strenger Busse. Sie predigt das Fegefeuer als erschreckenden Ort, in welchem die Strafen unerträglich sind usw. usf.
Die zweite Spiritualität fördert die Lehre nach welcher alle Menschen endgültig so erlöst sind – ohne ihr Zutun –, dass praktisch alle Menschen in den Himmel kommen, denn „Gott ist gütig und barmherzig“. Modernisten und charismatische Bewegungen fördern diese Sicht der Heilsgeschichte.
Die katholische Spiritualität bejaht beide Aspekte: die Anerkennung der Verantwortung des Menschen in seinen Entscheidungen, die zu oft sündhaft sind und deren Folgen (Gnadenentbehrung, Sündenstrafen und Fegfeuer); denn Gott ist gerecht. Sie bekennt auch, dass die Liebe Gottes allumfassend ist. Nicht nur indem er uns für den Himmel erschaffen hat und durch seinen Tod und die Auferstehung erlöst und die Himmelstüre wieder geöffnet hat, sondern dass diese Liebe eine immerwährende begleitende, wirksame, liebenswürdige und wohlwollende Liebe ist: Gott wohnt ja in unserem Herzen, auch wenn wir unvollkommen - ja Sünder sind.
Aber um den Wert dieser beiden Aspekte katholisch zu bemessen, muss man wissen, dass sie nicht gleichwertig nebeneinander sind, sondern aufeinander bezogen, hierarchisch jedoch, d. h. dass der eine Aspekt überwiegt.
Um die folgende Frage zu beantworten, welcher zwischen dem Sühneopfer Jesus am Kreuz (Karfreitag) und der Bedeutung der Auferstehung an Ostern, der wichtigere Aspekt ist, möchte ich einen anderen Vergleich als Hilfe bringen: Die Rolle des Fegfeuers! Warum? Weil viele Menschen, auch angeblich fromme Menschen, vor dem Tod Angst haben.
Ist das Fegefeuer wirklich ein schrecklicher Ort des Leidens und der Strafen, deren Schmer-zen mit denen auf Erden kaum zu vergleichen sind? Auf einer Seite muss man mit JA antworten. Diese Sichtweise wird besonders von den „Jansenisten“ und dergleichen gepredigt.


Der hl. Thomas von Aquin, Kirchenlehrer, hat eine andere Betrachtungsweise des Fegefeuers. Zunächst weil er auf Latein schreibt, heisst dieser Ort nicht Fegefeuer, was die Strafe des Feuers in den Vordergrund bringt, sondern „purgatorium“, Reinigungsort. Gewiss verleugnet er nicht die schmerzhaften Strafen dieses Ortes, aber für ihn ist es der Ort – besser gesagt der Zustand –, wo oder in welchem sich die Seele für den Himmel fähig und würdig macht. So versteht man wohl die Wichtigkeit der Wort-wahl: Reinigungsort beinhaltet sowohl eine schmerzhafte Reinigung – Kruste und Rost müssen „aus dem eigenem Leib“ rausgenommen werden –, als auch dessen Ziel: eine glänzende, makellose, wirklich echt heilige Seele zu erreichen, die damit fähig wird, sich mit Gott ewiglich zu vereinigen. Entsprechend ist für den Kirchenlehrer die Hauptstrafe nicht die sinnliche, welche durch das Feuer gedeutet wird, sondern die Trennung von Gott! In diesem Zustand sehnt sich die Seele „irrsinnig“ (gemeint: extrem, masslos) nach Gott, den sie auf Erden nur lau geliebt hat. Das ist der Grund warum sich die Seele nach dem persönlichen Gericht, das dem Tod unmittelbar folgt, schwungvoll ins Reinigungsort wirft; nicht weil sie sich bewusst ist, dass sie das Angesicht nicht sehen kann oder von der Heiligkeit verworfen wird, sondern damit sie so schnell wie möglich gereinigt wird, um mit ihrem Geliebten, Gott, vereinigt zu werden. Hier berührt man mit dem Finger die zwei verschiedenen Spiritualitäten: die erste (jansenistische) sträubt sich gegen den Tod, weil sie die Angst vor den Schmerzen fördert. Die katholische Spiritualität verkündet mit einem anderen Kirchenlehrer, dem hl. Bonaventura, dass der Reinigungsort ein Wunder der Barmherzigkeit Gottes ist, die uns armen Sündern die Möglichkeit gibt, mit Gott vereinigt zu werden, obwohl wir in unserem Zustand, in welchem wir sterben, gar nicht fähig wären, mit Gott vereinigt zu werden: „Nichts Unreines kommt in den Himmel hinein“ (Off 21,27).
Kommen wir auf unsere Frage zurück: Was ist das Wichtigere: das Sühnopfer Jesu Christi am Kreuz oder die Auferstehung? Die Fastenzeit oder die österliche Zeit?
Bei vielen Gläubigen ist die Fastenzeit eine sehr ernste Sache (mindestens theoretisch). Dagegen sind die fünfzig Tage nach Ostern etwa 10 Tage offizieller Freude eine «nicht erlebte» Zeit. Gemeint ist, ob diese Zeit die „österliche“ Zeit wäre oder eine andere, ist praktisch dasselbe, irgendwie nicht sehr bedeutend. Gewiss nerven uns die Charismatiker mit ihrem „Halleluja!“ das ganze Jahr. Aber wir sollten wohl diese geistige Freude bis Pfingsten hoch halten. Denn wenn Jesus uns durch das Sühnopfer erlöst hat, indem er für unsere Sünden gesühnt hat, ist das Ziel dieser Aufgabe des Vaters an ihn, die Verherrlichung des himmlischen Vaters. Diese geschieht indem der ursprüngliche Plan wiederhergestellt wird im Sieg über Tod und Teufel: die vereinigende Versöhnung mit unserem Vater. Jubeln wir wirklich darüber? Sind wir begeistert davon? Sind wir ausser sich, dass wir die Schönheit, die Weisheit und die Liebe Gottes ewiglich geniessen werden?
Wenn wir uns an Ostern mit Jesus über seine Auferstehung freuen, sollen wir uns heute am Barmherzigkeitssonntag freuen, dass Gott uns so sehr liebt, dass er sogar unsere Sünden (fast) übersieht, weil er mich als sein geliebtes Kind unbedingt bei sich haben will, um mich lieben zu können. Auch Dich!
Gesegnete Osterzeit!
Ihr in Christo
P. Gabriel Baumann, FSSP